Anreise nach Kailua-Kona, Big Island Hawai‘i …“It‘s not gonna happen today Mr. Seidel“
Leider gestaltete sich die (An-)Einreise nach Hawai‘i dieses mal sehr, sehr holprig und zumindest meine Reise endete zunächst am Flughafen in Amsterdam. Wir, meine Freundin Ina und ich, stiegen in Frankfurt in die erste Lufthansa Maschine , nachdem wir bereits für den internationalen Flug nach Amerika eingecheckt waren, der von Amsterdam über San Francisco nach Kona gehen sollte. Ich hatte bereits direkt nach meiner Qualifikation für die WM das ESTA-Formular für Amerika beantragt und hatte damals nach 20 Min die Bestätigung erhalten. Bei diesem Genehmigungsverfahren werden die Reisepassdaten und verschiedene andere teils private Inhalte abgefragt. Nun war ich mit Ina also in Amsterdam und auch hier hatten wir erneut alle Sicherheitsbereiche und Kontrollen passiert und standen zum Boarding am Gate 6 nach SFO bereit. Wir waren recht spät dran, da es ein Anschlussflug war. Es war ein bis dato entspannter Tag – ich meinen Reisepass beim Boarding auflegen musste, ertönte ein Signal und die unmissverständliche rote Lampe am Automaten verhieß absolut nichts Gutes. Dann wurde manuell geprüft und etwas stimmte nicht. Beim Abgleich mit den ESTA Daten schien es ein Problem zu geben, dass allerdings zuvor an keiner Kontrolle aufgefallen war. Es hatte ein paar Minuten gedauert, dann bemerkten wir, dass es einen Zahlendreher in der Reisepass ID gab. Eine 7 und ein Z machten den Unterschied und ich höre noch heute die Worte des United Airlines Mitarbeiters im Ohr…“It‘s not gonna happen today Mr. Seidel“ Was soviel bedeutete, dass mein ESTA nicht mit der Reisepass ID übereinstimmte und ich damit nicht in die Staaten komme. Was nun, denn Ina war bereits im Boarding? Innerhalb weniger Minuten musste wir also eine Entscheidung treffen. United hatte mir sofort angeboten meinen Flug auf die selbe Maschine am nächsten Tag aus Kulanz umzubuchen, weil so etwas mit diesem Zahlendreher hatten sie bisher nicht gesehen und waren nachsichtig. Ina hätte allerdings ein sehr teures Ticket kaufen müssen und das wäre finanziell nicht wirklich möglich gewesen. Wir entschieden in Sekunden, Ina fliegt nach Hawai’i und ich komme schon irgendwie mit neuem korrigierten ESTA auch hin. Also, Hals über Kopf am Boardingschalter hieß es Abschied nehmen – eine absolut krasse Situation. Ich habe dann direkt noch am Gate einen neuen ESTA Antrag gestellt und hoffte auf eine schnelle Bestätigung, was sich im Verlauf als Wunschvorstellung herausstellen sollte. Naja, der Antrag war gestellt und Online kann man den Status prüfen und erhält automatisch eine Mitteilung. Was soll ich, sagen es vergingen Stunden, nichts passierte und ich verbrachte die Nacht schlaflos in Amsterdam am Flughafen, immer wieder meinen ESTA Status checkend und extrem nervös, denn es kam nichts. Ich hatte dann nachts noch in Amerika angerufen um Auskunft zum ESTA zu bekommen und hatte dazu auch bei der Homeland ein Ticket eröffnet. Es waren ziemlich schlimme Stunden und Ina auf dem Weg nach Kona teilweise ohne Kontakt zu mir. Auch den Flug am nächsten Tag konnte ich nicht nehmen, denn mein ESTA war nicht genehmigt, was mich komplett verzweifeln ließ und in mir langsam die Zweifel an eine baldige Einreise schwand. Ina war bereits in Kona angekommen und hatte sich um alles weitere Mietwagen und Appartment in den Bergen oberhalb Kona‘s gekümmert. Ich allerdings wartete weiterhin in Amsterdam und entschied dann nicht noch eine weitere schlaflose Nacht am Flughafen zu verbringen. Ich verstaute mein Gepäck und meinen Radkoffer, die ja aus dem Flieger nach Francisco wieder ausgecheckt wurden, in einem Storage Raum in Amsterdam am Flughafen und nahm mir dann ein Hotel und war völlig übermüdet. Am nächsten Morgen um 6:30 Uhr erhielt ich die erlösende Bestätigung „ESTA approved“ Ich konnte es nicht fassen, denn es ging nun doch mit zwei Tagen Verspätung nach Hawaii und Ina und ich waren überglücklich. Es war wie im Film, der doch ein gutes Ende nimmt. Unterstützung auf diesem Weg erhielt ich durch die United Airlines, die auch beim ESTA und Homeland für meinen Fall alles für eine beschleunigte Prüfung unternommen haben und mir den Flug immer auf den nächsten Tag schoben. Was für eine Service!
Eindrücke auf Hawai‘i, Big Island …
Bereits zum dritten mal nehme ich an der WM teil und dennoch ist diese Insel im Pazifik, Big Island, immer wieder faszinierend. Mit den 12 verschiedenen Klimazonen besitzt die Insel nahezu alle auf der Erde vorhandenen. Als absolute Naturfans ist es für mich und Ina das Paradies. Unser relativ schlichtes Appartment liegt auf etwa 700m ü.NN und nachts hört man den Sound der heimischen Flora was ein absolutes Erlebnis ist und wir diese Geräuschkulisse über eine halbe Stunde aufzeichneten und uns somit für zu Hause konserviert haben. In unserem Appartment liegt zu unserem Glück ein Reiseführer, nicht irgendeiner sondern eine amerikanische extrem detaillierte Ausgabe über die Insel und somit erfahren wir ganz viel Neues, was bisher für uns noch unentdeckt war.
Beeindruckend ist immer wieder die Fahrt auf den Mauna Kea, der höchste Berg der Welt gemessen vom Meeresboden. Nur mit einem Allrad Fahrzeug kann man nach min. 30 minütiger Akklimatisation auf der Visitor Station den Gipfel auf holpriger Straße erklimmen und die beeindruckende Teleskop-Anlage bestaunen. Wir hatten großes Glück und erlebten einen der schönsten Sonnenuntergänge vom 4205m hohem Gipfel bei extremer Fernsicht auf den Pazifik und die angrenzende Insel “Maui“.
Auch sonst hatten wir diesmal noch mehr erleben dürfen als 2022. Es ist schon etwas ganz besonderes wenn du im Pazifik schwimmst und eine wirst plötzlich von einer riesigen Gruppe Spinner Delfinen begleitet, die mit ihren Jungtieren fantastische Drehsprünge aus dem Wasser heraus zelebrieren. Das Ganze haben wir mehrfach erleben dürfen und diese Erinnerungen, die behält man sicher sein Leben lang. Ebenso die vielen Schildkröten und Manta Rochen die abends in der Bucht ihre Runden drehen und das Plankton aus dem Wasser filtern. Die Menschen auf der Insel sind ebenfalls sehr naturverbunden und es herrscht die Hawaiianische Gelassenheit die einfach ansteckt. Ein Gefühl maximaler Freiheit und Freude das wir hier in Deutschland völlig vermissen. Diese positive Stimmung, egal ob reich oder arm, man wird immer gleich behandelt.
Die Vorbereitung auf das Rennen…
Ich muss gestehen die Vorbereitung und das Training auf Hawai‘i und den Wettkampf gestalteten sich ziemlich schwierig. Die beinahe 60h ohne Schlaf, durch die ganzen Schwierigkeiten bei der Einreise, hatten ihre Spuren hinterlassen und es dauerte eine ganze Woche bis ich mich körperlich und auch mental davon erholt hatte. Auch die zwei Tage, sie fehlten mir in meiner Vorbereitung und den Plan, den ich mir zurechtgelegt hatte, nein, den konnte ich so nicht umsetzen. Alles fühlte sich schwer an und so habe ich die ersten Tage nicht viel an Training absolviert und versucht mich zu erholen, dem Körper Ruhe zu gönnen, statt mit der Brechstange vorzugehen. Es wurde dann auch deutlich besser und ich merkte, wie sich auch die Herzfrequenz an die klimatischen Bedingungen mit Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit anpasste. Dennoch war die Erholung und die Herzfrequenzsenkung nicht auf meinem gewohnten Niveau. Ich betreibe diesen Ausdauersport seit 25Jahren und kenne meinen Körper 100%ig. Selbst als lizenzierter Triathlon Coach tätig, kenne ich die Kennziffern, um auch auf dem Papier sehen zu können, dass ich einfach nicht auf einem sehr guten Fitness Level war. Auch der 8 Wochen zurückliegende Ironman in Frankfurt hatte spuren hinterlassen, wie die gesamte sehr anstrengende Saison 2024. Trotzdem hatte ich mit allen Mitteln und Möglichkeiten versucht mich für das Rennen halbwegs fit zu bekommen und auch diverse Läufe und Koppeleinheiten, unter anderem im berühmt berüchtigten Energy Lab, dem Hitzepunkt des Rennens, absolviert.
Besondere Freude macht mir immer das morgendliche Schwimmen am Pier in Kailua-Kona. Der Hotspot der Athleten, die sich in diesem Jahr aus 85 Nationen vereint am Schwimmstart versammeln. Es verlangt schon etwas Mut wenn man gerade 12 Tage vor dem Rennen die Strecke im Pazifik teilweise ganz alleine als Training absolviert. Der Pazifik ist so unglaublich klar und blau. Es ist als würde man in ein großes Salzwasseraquarium hineinsteigen, überall bunte Fische und schier unendliche Sicht in das tiefe Blau des Ozeans, ein absoluter Traum.
Die Ironman Weltmeisterschaft
Am Freitag, einen Tag vor dem Rennen, muss das Rad und die Wechselbeutel eingecheckt werden und die Wechselzone am Pier in Kailua-Kona ist mit Abstand das Spektakulärste, was es im Bereich Triathlon Langdistanz Ironman zu sehen gibt.
Am Samstagmorgen um 03:30 Uhr klingelt der Wecker, es geht los und ich brauche erst einen Espresso bevor ich irgendetwas tun kann. Wir fahren runter in Richtung Pier Kailua-Kona. Ina lässt mich aus dem Auto mit meinen Getränkeflaschen für mein Rad. Wir verabschieden uns fürs erste denn mein Handy nehme ich nicht mit. Mit Glück treffen wir uns dann doch vor dem Start in der Hotellobby im Mariott wieder, was ein Zufall. Dann mache ich mich mit einem guten, wenn jedoch angespannten Gefühl in Richtung Start. Es wird in Altersklassen gestartet und während die Profis um 6:30 Uhr loslegen dauert es für mich in der AK 40-44 noch ganze 40 Minuten länger. Dann ist es soweit und wir dürfen auch ins Wasser. Der Pazifik hat 27 Grad, herrlich angenehm am Morgen, und so schwimme ich langsam, locker an die Startlinie. Doch dann plötzlich beginnt es in meinem Gesicht höllisch an zu brennen. Von der linken Wange über das Kinn und dann noch am Ellbogen rechts. Ein heftiger Schmerz auf der Haut und ich wusste eine Qualle hatte mich erwischt, deren Tentakel ich Unterwasser noch erblicken konnte. Mein Puls ging hoch, jeder weiß wie gefährlich das werden kann, wenn du darauf allergisch reagierst und es dir die Luft nehmen kann. Ich hatte nur wenige Minuten zum Start und dann ging es mit brennendem Gesicht los. Noch etwas blockiert kraulte ich eher verhalten los und achtete mehr darauf, ob mein Körper nach der Attacke reagierte. Es dauerte sicher einen ganzen Kilometer, bis ich auch vom Kopf freier schwimmen konnte. Das konnte ich es später auch auf meiner Uhr erkennen, dass die Schwimmpace nach 1,5 Kilometer deutlich besser wurde und so stieg ich dann zwar noch immer mit schmerzendem Gesicht und Ellbogen nach 1:03 h aus dem Pazifik. Direkt ging ich unter die Süßwasserdusche um mein Gesicht zu kühlen und weiter zum Wechsel, nahm mein Rad stieg auf und los ging es auf die 180 Kilometer lange und schwül heiße Radstrecke nach Hawi in den Norden der Insel und zurück. Alles lief hier hervorragend und ich hatte soweit keine Probleme. Es rollte gut nach Hawi, nur leider kam dann der berüchtigte Mumuku Wind ins Spiel und wir hatten nahezu volle 90 Kilometer zurück nach Kona absoluten Gegenwind. Aber auch das machte mir nichts und ich fuhr sehr kontrolliert und diszipliniert, wie ich es mir vorgenommen hatte.
Nach 5:03h erreichte ich wieder sehr solide die Wechselzone am Pier in Kona. Als ich vom Rad stieg wurde mir allerdings schnell klar, dass meine Beine nicht sonderlich frisch waren. Es fühlte sich anders an, als ich es von vielen Rennen kannte. Ich wusste ziemlich genau, das es sehr hart werden würde und lief entsprechend sehr defensiv mit einer 4:30er Pace an. Meine Beine, ja sie waren schwer wie Blei und es lag nicht an den schwül heißen Temperaturen, sondern einzig daran, dass ich und meine Beine verdammt müde waren.
Ja, ich hätte mich nach 8 Kilometern hinlegen und schlafen können, so müde wurde ich plötzlich. Ich entschied mich für ein Koffein Gel, denn ich musste etwas tun, meine Pace sackte auf 4:50 ab, also rein mit dem Zeug. Leider war das Ergebnis eher ernüchternd und bereits einige Kilometer später am Queen K Highway, die Palani Rd hinter mir gelassen, angekommen, half mir nur noch der Sprung ins Dixi Klo. Mir war übel, die Beine schwer und ich wusste dieser Tag, dieser Marathon, wird extrem hart werden. Einen Wandertag wollte ich daraus aber auch nicht machen und wusste dennoch bereits jetzt, dass ich hier und heute keine neue Bestzeit aufstellen kann. Trotzdem ich machte weiter, kämpfte mich laufend von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation, Kilometer für Kilometer.
Ich blickte auf meine Uhr, wenn nicht Bestzeit, dann setze dir ein anderes Ziel, und so versuchte ich unter 10h zu bleiben. Ich quälte mich maximal, steckte mein Gesicht mehrfach in die Eistonne und machte einfach immer weiter. Denn genau darum geht es in diesem Sport, einfach weiter machen, sich niemals aufgeben und mit viel Willen und mentaler Stärke das Ziel erreichen. Genau das tat ich an diesem Tag, mit viel Willen, Mut und maximalem Einsatz schaffte ich es in 9:52h deutlich unter der 10h Marke zu bleiben. Im Zielkanal wartete Ina, die mich immer unterstützt hat, an mich glaubt, und die Zeit für eine Umarmung und einen Kuss, die hatte ich!!
Dann ging es auf die Finishline, mein Name erklingt, „Ronny, you are an Ironman“ und ich reiße die Arme hoch, bin glücklich, auch wenn es nicht so lief wie erhofft.
Jeder, der diese Distanz unter diesen Bedingungen schafft, darf glücklich und stolz darauf sein. Als ich nach dem Rennen noch mit Ina in der Hotellobby am Boden sitzend spreche, sage ich zu ihr, dass ich keine Langdistanz mehr machen werde. Ganze 24 Stunden später relativiere ich diese Aussage und glaube nicht, dass ich auf diese Erfahrung, auf all diese Szenen, all diese Momente, die dieses Rennen bietet, verzichten kann.
Kailua-Kona wir sehen uns wieder.
Mahalo